"Schätzungen zufolge leben in Österreich zwischen 300.000 und 600.000 Erwachsene, die nicht oder nur unzureichend lesen, schreiben und rechnen können. Diese primären Kulturtechniken zu vermitteln, und darüber hinaus demokratisches Verständnis
zu fördern, ist Aufgabe der BasisbildungspädagogInnen. Soeben brachte der vorerst letzte Lehrgang universitären Charakters am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, bifeb), 20 akademisch geprüfte Basisbildungs¬pädagogInnen hervor. Doch der Bedarf kann damit nicht annähernd gedeckt werden.
Seit 2006 konnten am bifeb) rund 70 akademische Basisbildungs¬pädagogInnen ausgebildet werden. Auch wenn das Angebot seinesgleichen in Europa suchen, bleibt es ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dr. Christian Kloyber, Projektleiter und Koordinator: „Wir wissen, dass in Österreich um die 300 qualifizierte Personen pro Jahr dringend benötigt werden“. Doch die Situation in diesem immer wichtiger werdenden Teilbereich der Erwachsenenbildung bleibt prekär, „denn die Tätigkeit findet meist in Non Profit Organisationen statt und ist fast immer schlecht oder gar nicht bezahlt“, so Christian Kloyber. Nahezu alle BasisbildungspädagogInnen sind Frauen und kommen typischer Weise aus dem Sprachbereich, der Sozialarbeit oder dem Lehramt, befinden sich in der Lebensmitte und wollen aus Überzeugung etwas für die Gesellschaft tun.
Herausforderndes Curriculum
Die Ausbildung zur/m BasisbildungspädagogIn umfasst u.a. bildungspolitische Hintergründe, Interkulturalität, Migration sowie Rollenbilder der Pädagogik. Kloyber ergänzt: „Oft sind Schulerfahrungen blockierende Erlebnisse, die Lernen im Erwachsenenalter unmöglich machen“. Neben der Vermittlung neuester Methoden und der Entfaltung didaktischer Fähigkeiten setzt die Ausbildung auf die Stärkung der Beratungskompetenz, denn „Basisbildungs¬pädagogInnen müssen auf Alltagsfragen gezielt antworten können“, so Lehrgangsleiterin Dr. Antje Doberer-Bey. Wesentlicher Bestandteil des 18-monatigen Lehrgangs ist die Politische Bildung, die in erster Linie die Teilhabe an der Gesellschaft fördern soll.
Alphabetisierung von Roma-Frauen bis Langzeitarbeitslosen
Teil der umfassenden Ausbildung war eine Abschlussarbeit. So dokumentierte der Berliner Sozialpädagoge Dietrich Eckardt eine Alphabetisierungs¬initiative von Roma-Frauen in deutschen Strafanstalten. „Es war bewegend zu sehen, wie die Frauen das Gefängnis als Chance wahrnahmen, und sich zugleich bewusst wurden, in der männlich geprägten Roma-Gesellschaft gefangen zu sein“. Dass Bildungsdefizite in den existentiellen Abgrund führen können, etwa wenn funktionale AnalphabetInnen bei Gericht Protokolle unverstanden unterzeichnen, verdeutlichte die Arbeit der Frauenberaterin Dr. Elisabeth Simm. Ihre Kollegin Elisabeth Grabner zeigte auf, dass die Basisbildung für junge erwachsene Arbeitslose die Berufschancen markant erhöht.
„Wir entlassen hoch qualifizierte ErwachsenenbildnerInnen, die die Gesellschaft dringend benötigt“, bringt es Koordinator Kloyber auf den Punkt. Gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Leiter Univ.Prof.Dr. Rudolf de Cillia von der Universität Wien, der Expertin Dr. Antje Doberer-Bey und bifeb) Direktorin Dr. Margarete Wallmann überreichte er Anfang Juni am bifeb) den 20 frischgebackenen BasisbildungspädagogInnen ihre Zertifikate.
Neuer integrativer Lehrgang ab Herbst
Der aktuelle Lehrgang, der mit Unterstützung des bm:ukk durchgeführt wurde, ist der letzte seine Art. Bereits ab Herbst 2012 wird ein neues Programm angeboten, das aktuelle Entwicklungen berücksichtigt und das Arbeiten sowohl mit MigrantInnen als auch mit deutschen Muttersprachlern vereint. Auf ein weiteres Novum ist Kloyber stolz: Durch die Initative Erwachsenenbildung von Bund und Länder wird „erstmals der kostenlose Zugang zu Pflichtschulabschlüssen für Erwachsene ermöglicht!"
http://www.bifeb.atQuelle: Presse-Info bifeb 20.06.2012